Untersuchungen in der Sehschule
Unter Sehschulen werden Einrichtungen verstanden, die sich mit der Untersuchung und Behandlung von Störungen der Augenbewegung (z. B. Schielen und Augenzittern) sowie Sehschwächen bei Kindern und Erwachsenen beschäftigen. Sie sind an Universitätskliniken und in Fachabteilungen von Krankenhäusern sowie in Arztpraxen zu finden, die auf Augen- und Kinderaugenheilkunde (im Besonderen Strabologie sowie Kinder- und Neuro-Ophthalmologie) spezialisiert sind. Darüber hinaus gibt es Sehschulen in Spezialzentren für Augenheilkunde mit orthoptischen Einrichtungen. Eigens ausgebildete Fachkräfte – die Orthoptistinnen – arbeiten dort in enger Zusammenarbeit mit dem Augenarzt.
Die Beschwerden der Patienten, die in einer Sehschule untersucht und behandelt werden, können sehr vielfältig sein – dazu gehören z. B. Doppelbilder, Minderung der Sehschärfe, Gesichtsfeldausfälle und Schwindel. Auch Sehstörungen während der Arbeit am Bildschirm oder solche, die neurologisch, internistisch und traumatisch bedingt sind (z. B. verursacht durch einen Schlaganfall, Diabetes mellitus oder einen Unfall), gehören zum Behandlungsspektrum.
Was passiert in der Sehschule?
Der Begriff „Sehschule“ ist angesichts der heutigen modernen Früherkennungsmaßnahmen und Behandlungsoptionen von Augenfehlstellungen und Sehschwächen etwas veraltet. Demzufolge werden die Einrichtungen heute „Orthoptik“ (griechisch: gerades Sehen) genannt. In einer Orthoptik werden verschiedene Funktionen des Sehvermögens untersucht, z. B. die Sehschärfe in der Ferne und Nähe, das beidäugige Sehen, räumliches Sehen sowie Kontrast- und Farbensehen. Ebenso werden Pupillenreaktion, Lidstellung, Beweglichkeit und Brechkraft der Augen funktionell geprüft. Im Vordergrund stehen vor allem das Erkennen von Schielfehlstellungen, die Bestimmung des Schielwinkels sowie die Diagnostik einer vorhandenen Fehlsichtigkeit oder Schwachsichtigkeit (Amblyopie) bei Kindern. Eine frühzeitige Diagnose ist hier sehr wichtig, da unerkannte Schielfehlstellungen und daraus resultierende Sehschwächen zu bleibenden Funktionseinschränkungen der Augen führen können.
Durch eine rechtzeitige Diagnose in der Orthoptik lassen sich die notwendigen Behandlungsmaßnahmen direkt in die Wege leiten. Aus diesem Grund werden auch die Vorsorgeuntersuchungen im Kleinkind- und Vorschulalter empfohlen. Sie werden im ersten, dritten bis vierten und sechsten Lebensjahr durchgeführt. Insbesondere bei der kinderärztlichen Untersuchungen U7a bis U9 werden die Sehfunktionen besonders genau überprüft und durch augenärztliche und orthoptische Untersuchungen ergänzt. Orthoptistinnen leisten darüber hinaus Unterstützung bei Sehstörungen in Verbindung mit bestehenden Leistungsdefiziten im Bereich Lesen und Schreiben (Lese-Rechtschreib-Schwäche). Ein weiteres Aufgabenfeld ist die Screening-Untersuchung im Bereich der Gesundheitsvorsorge in Kindergärten und Grundschulen.
Die Durchführung von rehabilitativen Sehtrainings für Kinder und Erwachsene ist ebenfalls ein Schwerpunkt von orthoptischen Einrichtungen. Durch vorangegangene internistische oder neurologische Erkrankungen kann es beispielsweise zu Funktionsstörungen der Augenmuskeln oder Sehstörungen kommen. Hier sind Erkrankungen wie Tumore, Schlaganfälle, Schädel-Hirn-Verletzungen, Multiple Sklerose (MS), Morbus Parkinson oder diabetesbedingte Durchblutungsstörungen zu nennen. Die neuro-visuelle Rehabilitation beinhaltet individuell abgestimmte Trainingsprogramme und die Entwicklung von Strategien zur Kompensation. So können visuelle Defizite reduziert werden und der Patient lernt, Unsicherheiten im Alltag zu überwinden und besser mit der visuellen Beeinträchtigung umzugehen. Die Orthoptistinnen sorgen dabei auch für die entsprechende Anpassung von Sehhilfen und optischen Hilfsmitteln, wie z. B. Brillen, Kontaktlinsen oder Lupen.
Welche Untersuchungsmethoden gibt es?
Um die Sehfähigkeit zu prüfen, werden in der Orthoptik unterschiedliche orthoptische Teste durchgeführt. Die Sehschärfe in der Ferne können beim Sehtest z. B. mittels Sehtafeln ermittelt werden, auf denen Buchstaben, Zahlen oder Sehzeichen abgebildet sind, die aus einem festgelegten Abstand erkannt werden sollen. Typische Sehzeichen sind z. B. Landolt-Ringe, E-Haken oder Symbole, die vor allem dann zur Anwendung kommen, wenn es sich bei den Patienten um Kleinkinder oder Personen handelt, die nicht lesen können oder eine andere Sprache sprechen.
Bei der Fixationsprüfung benutzt die Orthoptistin ein Ophthalmoskop und projiziert damit ein Sternchen auf die Netzhaut des Kindes bzw. des erwachsenen Patienten. Es wird geschaut, ob das Sternchen normgerecht mit der Netzhautmitte (Fovea centralis) fixiert wird. Mithilfe eines Skiaskops wiederum kann ermittelt werden, ob der Patient eine Brille benötigt. Diese Untersuchung wird Skiaskopie oder Schattenprobe genannt. Hierbei werden dem Patienten zunächst Augentropfen verabreicht, die eine Entspannung des Muskels im Strahlenkörper bewirken, der die Naheinstellung im Auge steuert. Zusätzlich kommt es zu einer Weitung der Pupillen – die Fähigkeit zur Naheinstellung wird unterbunden. Kleine Kinder lassen sich mit dieser Methode sehr gut untersuchen, da keine aktive Mitarbeit gefordert ist. Von Vorteil ist außerdem, dass Fehler infolge einer unbewussten Akkommodation verhindert werden. Der sogenannte Abdecktest (Covertest) wird durchgeführt, um zu beurteilen, ob eine Schielstellung vorliegt. Sowohl latente als auch manifeste Formen des Strabismus können durch diese Untersuchung erkannt werden.
Dazu muss das Kind bzw. der Erwachsene einen Gegenstand fixieren, während ein Auge einseitig oder wechselseitig mit einer Abdeckscheibe zugehalten wird. Gleichzeitig wird beobachtet, ob das andere Auge dabei eine Einstellbewegung vollzieht, welche typisch für das Schielen ist. Über einen Prismenabdecktest kann der genaue Winkel des Schielens festgestellt werden. Der Patient wird aufgefordert, ein Fixationsobjekt anzuschauen. Dann werden unterschiedliche Prismen vor ein Auge gehalten und gleichzeitig der wechselseitige Ab- und Aufdecktest durchgeführt, bis keine Einstellbewegung mehr zu beobachten ist.
Wie wird behandelt?
Sofern in der Orthoptik eine Schielstellung oder Sehschwäche bei einem Kind erkannt wurde, können sofort die nächsten Schritte der Behandlung festgelegt werden. Bei einer Amblyopie bzw. Schwachsichtigkeit wird in der Regel die Okklusionstherapie eingesetzt. Hierbei wird das gesunde Auge mit einem Okklusionspflaster abgeklebt, um die Sehfähigkeit des schwächeren Auges zu fördern. Die Tragedauer der Okklusionspflaster wird durch die behandelnde Orthoptistin festgelegt.
Beim Schielen und zusätzlich bestehender Fehlsichtigkeit ist es ebenso möglich, dass eine Brille verordnet wird. Gegebenenfalls kommt bei Erwachsenen nach gründlicher Abklärung die Verordnung einer Prismenbrille infrage, um damit die Fusionsfähigkeit zu unterstützen und Doppelbilder zu vermeiden. In manchen Fällen kann es sein, dass eine konservative Behandlung nicht ausreicht, beispielsweise bei sehr stark ausgeprägtem Schielen. Dann kann eine Augenoperation Abhilfe schaffen, um die Augenstellung zu korrigieren. Bei diesem Eingriff werden die äußeren Augenmuskeln versetzt oder gekürzt, um die Stellung des Augapfels zu korrigieren. Im Anschluss ist nach entsprechender Heilungszeit eine weitere Behandlung durch einen Augenarzt und eine Orthoptistin sowie das Tragen einer Brille erforderlich.
Unabhängig von der jeweiligen Behandlungsmethode – ein wesentlicher Faktor für die erfolgreiche Therapie von Schielerkrankungen bei Kindern ist immer die gute Zusammenarbeit mit den Eltern sowie deren Unterstützung.